alles ist schon da!
Wir sind doch eigentliche Laufwesen. Unser Körper ist in seinem Aufbau, in seiner Statik, mit allen seinen Organen und Funktionskreisläufen im Grossen und Ganzen immer noch der eines Läufers. Man schaue sich nur die mächtigen Oberschenkel und die insgesamt langen Beine an. Sind die etwa nur zum Sitzen oder Liegen gemacht? Auch die hochkomplizierte Mechanik des Fusses, welche die Aufprallenergie speichern und zum Abstossen nutzen kann, brauchen wir nicht, um in Autos ein- und aus ihnen auszusteigen. Unsere Atmungsorgane sind wirkungsvolle Energiebeschaffer, deren wahre Kapazität brachliegt. Unser Organismus funktioniert noch weitgehend so, wie er für das Leben eines Läufers vorgesehen war, der lange Strecken unterwegs sein musste. Unter speziellen Bedingungen ist der Mensch tatsächlich allen anderen Läufern überlegen, was auf der Jagd ein enormer Überlebensvorteil war: über sehr grosse Distanzen und bei grosser Hitze. Der Mensch ist auch Weltmeister im Schwitzen (Genaueres über diesen anthropologischen Aspekt hier >>> www.dr-walser.ch/ausdauerraeuber.pdf).
Weil nun diese natürliche Verbindung zum Laufen verloren gegangen und die Legende von unserer Laufuntauglichkeit entstanden ist, konnten „Power- und Wellnessjoggen“, „Walking“ oder „Nordic Walking“, „Softrunning“ und andere Bewegungsevents Fuss fassen. Laufen, genauer: das, was davon übrig geblieben ist, ist zu einem käuflichen Modetrend gemacht worden, flankiert und getragen von Büchern und schönen Bildern, Outfit und Drinks, Normen und Messgeräte, Gurus und Ideologien.
Es ist an der Zeit, das Laufen zu vereinfachen, aus seiner medialen und mystischen Vereinnahmung zu befreien und den Ballast aus Lifestyle und Leistung abzuwerfen, der aufgepfropft wurde. Wir brauchen nichts und niemanden zum Laufen. Nur gute Schuhe brauchen wir (obwohl Barfusslaufen das absolut Beste wäre!). Sonst ist alles schon da. Ein laufbereiter und laufbegieriger Körper, Wege und Bahnen, frische Luft und natürlich die Einsicht, es tun zu wollen, weil sonst etwas aus dem Ruder läuft.
Langsamkeit
Langsamkeit ist der entscheidende Faktor, der uns von der Hektik der Welt fern hält und uns hilft, das eigene Tempo zu finden. Wir entschleunigen, anstatt wie üblich zu beschleunigen. Wir normieren uns nicht durch Tabellen und Messgeräte. Nur unser Tempo kann das richtige Tempo sein. Für die meisten bedeutet das, weniger zu tun, als sie glauben, tun zu müssen. Statt Sport betreiben wir Bewegung. Statt objektiv etwas zu messen, spüren wir uns subjektiv. Statt wegzurennen, laufen wir nach innen. Statt etwas zu trainieren, lassen wir los und finden unseren persönlichen Rhythmus und unsere Einheit. Bei zu hohem Tempo kommen wir ausser Atem, Hören und Sehen vergehen uns, und das Laufen kann zu einem unangenehmen Erlebnis werden.
Dann kommt noch weiter dazu, dass man nie mit Stress Sport machen sollte! Stress steigert die Cortisol-Ausschüttung, die wieder eher dick macht! Und zwar genau das für Herz und Kreislauf gefährliche viszerale Bauchfett (Stammfettsucht durch Cortison!). Gelassen und locker trainieren!
Vorschlag: Beginnen Sie jeden zweiten Tag mit etwa 15 Minuten im Aeroben (v.a. gerade aus, ev. leicht ansteigend) und steigern Sie langsam bis jeden zweiten Tag auf 60 oder täglich 30 Minuten aerob (Wobei ich selbst nie einen Pulsmeter gebrauche, also nur auf meine Atmung achte.). Jeder soll aber auf seine Facon selig werden!
Für die Gesundheit ist aber auf Länge die 3in3-Regel wichtig: im Minimum 3 Stunden wöchentlich, verteilt auf mindestens 3 Mal! Vielleicht ist mehr als 4 Mal pro Woche aber ungesund (mindestens fürs Herz beim Vorhofflimmern)!
Achtsamkeit
Für wahrhafte und stabile Prozesse ist unsere Anwesenheit nötig. Wenn wir essen, dann essen wir. Wenn wir laufen, dann laufen wir. Wir lenken uns beim Laufen durch nichts ab. Wir setzen keine zusätzliche Reize. Wir nehmen nur das Laufen wahr und erleben es. Wir rennen nicht mit einem Walkman im Ohr oder mit Stöcken in den Händen. Statt erschöpft werden wir durch achtsames Laufen erfrischt und erholen uns, paradoxerweise, weil wir Unangenehmes zulassen und nicht wegrennen vor unseren Empfindungen.
Ihr Blick ist offen, aber nicht fixiert (auch nicht aufs Ziel oder eine Zeit). Lassen Sie die ganze Umgebung „reinkommen“. Auch das Innenohr ist offen für alle Umgebungsgeräusche.
Auch das grosse Sinnesorgan „Fuss“ öffnet sich gegen den Boden.
Öffnen Sie sich, ergreifen Sie nichts. Die Bewegung wird nur stabil und ökonomisch, wenn Ihre Sinne auf diese Weise aktiv sind.
Sie werden erleben: Die unten angeführte Laufhaltung führt uns weg vom TUN, hinein ins SEIN.
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Letzte Aktualisierung von Dr.med. Thomas Walser:
31. August 2022